CSD Frankfurt 2018 - Nachlese: Mein Interview

Gracia Gracioso im Gespräch mit Livia Prüll (copyright: Künstler CSD Frankfurt)

 

....und da lauern schon wieder die üblichen Themen, die ja die einschlägig "Betroffenen" und die engagierten Cis*-Menschen immer wieder beschäftigen: das Transsexuellengesetz und die Personenstandsänderung, das ständige "Pathologisieren" von Trans*menschen, das heisst also das als "krank" bezeichnen von Trans*menschen, Diskriminierung im Alltag, das "Dritte Geschlecht", Akzeptanz von Trans* in der Öffentlichkeit, etc. etc. etc. Da liesse sich noch mehr aufzählen.

Na ja, und darüber habe ich dann auch gesprochen, als Gracia Gracioso mich dann am 22. Juli 2018 um 15 Uhr auf die Bühne holte. Das war ja auch mein Auftrag, es geht ja auch um unsere Arbeit bei der dgti. Aber ich habe ihr vorher geschrieben, dass mir das nicht reicht und dass ich das so nicht gut finde. Nicht etwa, weil ich keine Lust hatte, über diese Themen zu sprechen: Kein Mensch, der irgendetwas für Trans*menschen fühlt und natürlich keiner der Trans*menschen selber würde bestreiten, dass diese Themen wichtig sind und (weiter) angegangen werden müssen. Aber es geht hier einfach um das NUR. Denn viele Gleichgesinnte werden zugedröhnt vom Gerede über Schwierigkeiten und trauen sich dann letztlich garnicht mehr auf die Strasse, vor allem diejenigen nicht, die jung sind und am Beginn ihrer Transition. Und wenn diesen dann noch durch Gleichgesinnte in Selbsthilfegruppen gewollt oder ungewollt Druck gemacht wird, dafür zu sorgen, "durch zu sein" (!?!?), also einen Durchmarsch bis zur geschlechtsangleichenden Operation zu machen (was man eben nicht muss!), dann steigert sich die Unruhe oft zur Verzweiflung. 

Also hab ich mich entschlossen, etwas Positives zu sagen. Was habe ich dann am Ende gesagt, bzw. in welchem Geist habe ich gesprochen? Dass mir in der Beratung viele Gleichgesinnte über ihre Schwierigkeiten erzählen und dass manche aufgrund auch des permanenten Problematisierens keinen Zugang mehr haben zu den eigenen Leistungen und Fähigkeiten. Wie viele von uns kämpfen sich nicht täglich durch? Wie viele beschäftigen sich konstruktiv mit Ihrer Transidentität? Und wie viele treiben das Thema auch in der Gesellschaft schlicht dadurch voran, dass Sie sich Hilfe holen, mit eingeweihten Freund_innen sprechen und die die Dinge nicht einfach laufen lassen und im eigenen Leid verharren? Und es sind eben nicht nur diejenigen Trans*menschen, die ein Zeichen setzten, damals am 28. Juni 1969, als die Aufstände im Stonewall Inn in der Christopher street in New York ausbrachen. Es sind auch diejenigen, die dann in den Jahrzehnten danach kontunierlich für Trans*rechte einstanden, indem sie selbst zu sich standen. Und es sind eben auch alle diejenigen, die heute zu sich stehen. Ohne Euch alle gäbe es keine dgti, keinen  CSD, keine politischen Debatten.....

Und ist das nur Arbeit "für uns". Nein! Denn wir haben der Gesellschaft etwas zu bieten. Die Trans*menschen stärken all diejenigen Individuen und (politischen) Gruppierungen, die für ein gemeinschaftliches, friedliches Leben in Deutschland eintreten, die sich für Diversität einsetzen. Das ist hochaktuell, nicht nur bezogen auf die Trans*probleme. Die freiheitliche Erziehung zu Akzeptanz in KITAS und Schulen, die Gewährleistung einer menschenwürdigen Altenpflege, der menschliche Umgang und die Aufnahme und Akzeptanz von Flüchtlingen. In diesem Themenbereich arbeiten wir. Wir sind hochaktuell. Wir sind IN der Gesellschaft. Wir dürfen aufrecht durch das Leben gehen!

Die dgti wird dieses Jahr 20 Jahre alt. Wir dürfen deshalb auch feiern! Und wir werden feiern!

Liebe Grüße an Alle,

Eure

Livia

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Kommentare

Kommentar von Chen Graf |

Liebe Livia, schön seid ihr Beiden auf dem Bild anzuschauen, zudem entsteht ein positiver Ausblick für alle Transidenten, durch euren Einsatz und die Zeit welche ihr dem Thema "Trans" widmet, danke! Be and love "Your❤Self" Liebe Grüße, Chen

Antwort von Livia Prüll

Liebe Chen,

danke für den aufmunternden Kommentar...Zwei Gedanken in Deinen Zeilen: Einsatz für andere Gleichgesinnte, aber auch für andere Menschen. Aber dann auch das Achten auf sich selbst. In kleinen Begebenheiten des Alltags wird uns das klargemacht: Sagt im Flugzeug die Stewardess in ihrer Notfallanleitung, dass wir die Sauerstoffmasken erst uns selbst anlegen sollen und dann erst den Kindern bzw. anderen, die Hilfe brauchen, dann meint sie ja letztlich dieses: Man kann nur anderen helfen oder für andere da sein, wenn man sich auch um sich selbst kümmert.

Liebe Grüße,

Livia

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