Angriff auf Transgender.....

Die Nachricht war so, dass man sie kaum glauben konnte. Aber sie ist wahr. Das Bundesverfassungsgericht hat vor einigen Wochen das Transsexuellengesetz verteidigt und damit eine Institution gestärkt, die die Menschenwürde transidenter / transsexueller Menschen verletzt. Und jetzt kommt ein nächster Schlag von aussen, ein Schlag, der eher in eine Zeit passt, in der man von Menschenrechten und Ethik noch nichts wusste.....

Trump hat der US-Gesundheitsbehörde unter anderem die Verwendung der Begriffe "Transgender" und "Diversität" untersagt. Auch wurde die Verwendung der Termini untersagt, bei denen es um eine Validierung, also um eine Bewertung der entsprechenden Sachverhalte geht, nämlich "science-based" ("auf wissenschaftlicher Grundlage") und "evidence-based" ("auf der Grundlage von Beweisen"). Damit wurde zweierlei unternommen: Erstens wurde das Thema Transgender und damit auch Transidentität/Transsexualität "unsichtbar" gemacht. Es existiert für die Gesundheitsbehörde nicht mehr als Einheit der Fürsorge und als Einheit der Beratung. "Betroffene Menschen" können sich nicht mehr informieren und haben keinen (effektiven) Zugriff mehr auf Gesundheitsdienste. Zweitens gibt es für die zukünftigen Beiträge der Gesundheitsbehörde zu dem Thema keine Notwendigkeit mehr eines Evidenznachweises. Damit ist alles offiziell möglich: Falschdarstellungen, Diskriminierungen, Verunglimpfungen.....

Ist das nur eine Verirrung auf der US-Regierungsebene? Mitnichten! Die Pollitk der US-Gesundheitsbehörde beeinflusst auch die Vereinbarungen in Sachen Gesundheit auf internationaler Ebene. So wurde darum gerungen, dass der ICD-Katalog, die "International Classification of Diseases", nach der die Ärzt_innen weltweit Krankheiten einteilen und vergleichbar machen, verändert wird: Trans* soll im neuen ICD 11 endlich nicht mehr unter den krankhaften Zuständen, den "Störungen" stehen. Welchen Einfluss nimmt die US-Gesundheitsbehörde jetzt auf diesen Vorgang? Welche Verbesserungen sind für Trans* jetzt noch auf internationaler Ebene möglich?

Die Massnahme von Trump verletzt die Menschenwürde. Sie ist menschenverachtend. Deshalb kann sie nicht hingenommen werden. Und deshalb hat die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität einen offenen Brief an Bundesaussenminister Gabriel geschrieben, in dem er darum gebeten wird, sich offen gegen diese Menschenrechtsverletzung auszusprechen. Und das Netzwerk* Sexuelle und geschlechtliche Diversität in Gesundheitsforschung und -versorgung an der Fachhochschule Dortmund hat am Aktionstag Genderstudies, der heute, am 18. Dezember 2017 ist, um persönliche, öffentliche Stellungnahmen gebeten. Denn auch die Gender Studies müssen verteidigt werden. Und das auch in diesem Land. Doch auch hier können Stellungnahmen zum Angriff auf Transgender durch Trump abgegeben werden.

www.fh-dortmund.de/rainbow

Es ist schlimm, dass transidente Menschen immer wieder gezwungen werden, sich gegen Menschenrechtsverletzungen zu wehren. Ich rufe mir selbst ins Gedächtnis, was ich 2015, auf dem CSD in Mainz in einer Stellungnahme auf dem Marktplatz gesagt habe: Das Beschimpfen von schwulen Männern, das Beleidigen einer lesbischen Frau, das Mobben und Belästigen einer Frau am Arbeitsplatz, das Attackieren von Moslems, das Attackieren von Flüchtlingen, das Beschmieren jüdischer Grabsteine und eben auch der Angriff auf Trans* - bei allem handelt es sich um Angriffe auf Vielfalt und Demokratie als grundsätzlicher Werte unserer Gesellschaft".

Viele traurige Grüße an alle

Livia

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Kommentare

Kommentar von Michaele F. |

Ist das ein Grund für Traurigkeit?

Ebenso wie alle anderen Nackenschläge der letzten Monate, ist das doch mehr ein Grund für Wut... Wut die gelenkt werden muss in Taten.

Wir haben uns zu lange darauf verlassen dass Fortschritt nicht aufgehalten werden kann, dass Fortschritt nur noch mehr Fortschritt gebären kann. Jetzt werden wir eines besseren belehrt. Leider.

Der Kampf geht weiter.

Antwort von Livia Prüll

Ich kann nur zustimmen. Und in der Tat geht der Kampf weiter, jedenfalls auch für mich - und es sollten sich möglichst viele Trans*leute beteiligen. Und reden mit den Menschen, denen sie im Alltag begegnen - dann ändert sich etwas in den Köpfen und es gibt weniger Betätigungsmöglichkeiten für Leute wie Trump.

Traurigkeit nur im Hinblick auf die Qualität dieses menschenverachtenden Anschlags. Ich bin schon entsetzt, mit was man sich da in unserer Zeit auseinandersetzen muss. Als erste emotionale Reaktion....

 

Kommentar von Karin Blum |

Wer kennt den Gesetzentwurf des Deutschen Instituts für Menschenrechte?
https://www.bmfsfj.de/blob/114066/7830f689ccdfead8bbc30439a0ba32b9/geschlechtervielfalt-im-recht---band-8-data.pdf
Leider gab es zur Veröffentlichung der vom BMFSFJ in Auftrag gegebenen Gutachten keine Pressemitteilung dem BMFSFJ. https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/fachaustausch-zu-geschlechtlicher-vielfalt/113976 Den wenigsten Bundestagsabgeordneten dürften sie wohl bekannt sein.

Antwort von Livia Prüll

Ja, das ist wichtig. Damit könnten Sachverständige in internationalen Kommissionen argumentieren, wenn aus den USA in der Umsetzung der Entpathologisierung gerade betr. den ICD blockiert wird. Wichtig ist das für uns alle vor allem im Hinblick auf Prozesse, die gegen Arbeitgeber etc. betr. Diskriminierung geführt werden. Das Allgemeine Gleichstellungsgesetz sieht eine Beweisumkehrpflicht bei klaren Indizien einer Diskriminierung vor. Da würde dann das Gutachten Geschlechtervielfalt im Recht zusätzlich hilfreich sein.

Kommentar von Raisa |

Was soll man dazu denn noch sagen.... es gibt Gründe warum ich mich nicht traue meine Schwester in Texas zu besuchen aus genau den oben genannten Gründen.
Menschlich gesehen ist die Angst und die daraus resultierende Diskriminierung genau so wie die Ängste auf Lebewesen die weniger oder mehr als vier Extremitäten haben. Alles was nicht der gesellschftlichen Norm entspricht ist wohl auch ein Grund Ängste zu entwickeln.
Solche Rückschritte machen mich traurig. Man sieht nicht über den Horizont sondern betrachtet ein verlaufenes Bild, was im Auge des Betrachters Normalität entspricht, statt die Farben um den Rand des Bildes zu erkennen. Traurig.

Antwort von Livia Prüll

Zu Recht wurde ich daran erinnert, dass meine Nachricht ja auch den positiven Aspekt des aktiven Sich-wehrens enthielt. Daran muss man sich festhalten und wir müssen uns zuweilen wie Münchhausen selbst am Schopf aus dem Sumpf ziehen. Wichtig ist vor allem, dass man Normalität ausstrahlt und offen mit der Transidentität umgeht. Am Ende von Vorträgen und Podiumsdiskussionen mit Cis*-Menschen werde ich öfters gefragt: "Was können wir für Sie tun?", oder "Was würden Sie sich wünschen?". Dann sag ich immer "Erzählen Sie weiter, was Sie hier gehört haben. Sprechen Sie mit anderen darüber. Und vor allem: Machen Sie den Mund auf, wenn transidente Menschen diskriminiert werden, treten Sie für diese ein..." Ich denke, dass ist der Punkt, denn dann ändert sich was in den Köpfen. Und ganz an Ende, also irgendwann, fehlt solchen Menschen wir Trump dann das Publikum. Das braucht er nämlich. In Deutschland hat sich da schon einiges getan. Da muss man weitermachen...

Kommentar von Johanna |

Ich befürchte halt, daß Lautsprecher wie Trump auch gewisse Gruppierungen und Meinungsfreie hierzulande dazu verleitet, wieder Transphobie aufleben zu lassen, die ich persönlich zumindest schon einigermaßen eingedämmt sah. In meinem Umfeld, speziell am Arbeitsplatz, überwiegend Männer, gibt es immer mal den einen oder anderen abwertenden Spruch über Gender. Derjenige ist uninformiert über diese Thematik, aber er schafft es doch, zumindest mir das Unbehagen zu bereiten, welches noch den Ausschlag gibt, weitergehende Maßnahmen hinsichtlich einer Angleichung, in welcher Form auch immer, anzugehen und umzusetzen. Trotz begleitender Therapie will sich mein Gehirn nicht einlassen, ein nötiges Outing im Jobbereich durchzuführen. Und da befeuern solche Trump´schen Aussagen genau diese Leute in meinem Umfeld, die sich schon immer schwertaten mit Respekt oder Akzeptanz dem Anderssein gegenüber. Ich stecke da wohl in einem richtigen Dilemma.

Antwort von Livia Prüll

Sorry, ich antworte etwas verspätet wegen der Feiertage...Das Dilemma ist nachvollziehbar, viele oder fast jede Gleichgesinnte kennt das und es hängt wirklich von der persönlichen Lebenssituation und auch von den eigenen Energiereserven ab, wie weit man gehen kann. Im Arbeitskreis Trans*-Rheinland-pfalz der dgti halten wir es auch so, dass jedes Mitglied nach seinen eigenen Möglichkeiten hilft bzw. sich positioniert. Allerdings sollte man immer wieder neu ausloten, was man persönlich machen kann. Ich denke auch, das Einlassungen wie die von Trump die Stimmung vergiften, indem sie Rechtspopulist_innen und Freikirchler_innen Munition geben. Das bisher Errungene betr. LSBTIQ* steht hier schon auf dem Spiel. Das sieht man an der vom LSVD angekurbelten Initiative zur Verteidigung des Erreichten, am 20.1. findet ein Treffen von Trans*aktivist_innen in Dortmund statt. Insofern ist es wichtig, auch im Kleinen (!) seinen Beitrag zu leisten, soweit man kann. Zum Beispiel, indem man auf dumme Sprüche oder achtlose Bemerkungen reagiert, indem man sachlich informiert. Manchmal kann man dadurch Emotionen rausnehmen und ein Beitrag dazu leisten, Trans* als gängiges Phänomen des Lebens darzustellen. Das hilft enorm, denn wie schon geschrieben: Die aktiven Trans*gegner_innen brauchen ihre Zuhörer_innen, und die muss man ihnen wegbrechen.

Kommentar von Johanna |

Die Energiereserven sind bei mir relativ aufgebraucht. Obwohl noch nicht wirklich negativ konfrontiert, spüre ich innerlich immer eine Anspannung. Therapie und Freundinnen aus dem Bereich haben es bisher nicht geschafft, mich aus diesem Dilemma ansatzweise herauszuholen.
Und was antworte ich beispielsweise auf die Frage meiner Frau, wie es in Zukunft weitergehen soll, wenn ich nicht einmal weiß, wie ich mit solchen Konfrontationen, die fraglos auf mich, auf uns zukommen werden, verbal und emotional umgehe? Ich brauche, salopp gesagt, keinen Trump, um mit meinen/unseren elementarsten Problemen klarzukommen. Nur solche Leute verstärken eben meine Angst. Bisher haben es weder meine Therapeutin, noch meine gleichgesinnten Freundinnen geschafft, mir eine notwendige Sicherheit hinsichtlich meiner weiteren, nötigen Transentwicklung (scheußliches Wort) zu vermitteln.
Ich habe übrigens Ihr Buch gelesen, neben vielen anderen zu dem Thema. Auch meine Frau hat das. Aber irgendwie gibt es keinen Fortschritt, um selbstbewußt weitere Maßnahmen zu ergreifen. Stimmt nicht ganz, habe ein Vorgespräch bei Dr.Beate Ritzert gehabt wegen einer Barthaarentfernung. Sie war sehr nett, konnte aber meine Zweifel (Schmerzen) nicht so richtig ausräumen. Aber zur Verabschiedung sagte sie, daß alles gut wird. Das machte mir dann doch Mut.
Immerhin bin ich Jahrgang 1960, was das Ganze nicht einfacher macht.
So lebe ich seit meinem Outing gegenüber meiner Frau in einer nicht so einfachen Situation. Das nur mal als Info am Rande, da gäbe es noch einiges zu berichten. Aber, ich denke, so sehr unterscheidet sich meine Geschichte nicht von anderen Betroffenen. Was es aber nicht einfacher macht.

Antwort von Livia Prüll

Ihre Situation ist schwierig, ähnelt aber in der Tat derjenigen von vielen Trans*frauen, denn deren Coming-out findet im Vergleich zu den Trans*männern meist in einem fortgeschritteneren Alter statt, wenn eine Heirat stattgefunden hat und dann auch oft schon Kinder da sind (vgl. die Studie von Alexander Naß, in: Schochow, Gehrmann, Steger (Hg.), Inter* und Trans*identitäten, Gießen 2016). Das hilft Ihnen individuell natürlich nicht viel weiter, vielleicht aber folgender Gedanke: Es ist wichtig, zwei Bereiche auseinanderzuhalten: 1.) denjenigen der persönlichen Situation mit eigenen Problemen und Schwierigkeiten und dann der Herausforderung, selbstbewußt im Zielgeschlecht in der Öffentlichkeit zu wirken; 2.) dasjenige, was man als allgemeine Situation bezeichnet, nämlich die Diskussionen in der Gesellschaft und eben auch Trump und Konsorten mit ihren Auslassungen. Natürlich geht das zum Teil ineinander über, aber eine Trennung ist insofern wichtig, als die Ängste vor der Reaktion der Gesellschaft (also dem 2. Bereich) einen nicht von dem Austesten des Ausgehens im Zielgeschlecht und Umsetzungsversuchen der eigenen Transidentät abhalten sollten. Denn man gewinnt ja auch ungeheuer an Kraft, wenn man in sich selbst ruht und wenn man im Einklang mit der gefühlten Identität lebt. Meine Erfahrung ist, dass man offener mit den Dingen umgeht, dass man gelöster ist, dass man auch Schwierigkeiten besser ertragen kann. Man wächst auch an seiner Angleichung und damit lassen sich zum Teil auch Probleme kompensieren. Zusammengefasst: Es ist problematisch zu sagen "1. und 2. sind zusammen so schwierig...", denn 2. wird leichter, wenn man mit 1. gut umgehen kann. Das ist meines Erachtens ein wichtiger Punkt.

Kommentar von Johanna |

Hallo, die praktische Umsetzung ist natürlich was völlig anderes als die Theorie. Ich hatte glücklicherweise Unterstützung beim Gang en femme in die Öffentlichkeit. Da dachte ich, nachdem alles zu meiner Zufriegenheit verlaufen ist, daß das ein Selbstläufer wird. Weit gefehlt, mehr Zweifel denn je beschlichen mich, so daß meine "Mentorin" auch langsam den Glauben an mich zu verlieren schien. Ich habe das Problem auch immer wieder bei meiner Psychologin thematisiert. Ich trete ziemlich auf der Stelle. Wahrscheinlich weiß ich selbst nicht, was ich eigentlich will. Hauptproblem ist, wie sollte es auch anders sein, das in dem Zusammenhang immer wieder zitierte Kopfkino. Nun geht es aber an dem eigentlichen Thema zu weit vorbei. Das ist wohl Material für einen eigenständigen Thread.

Antwort von Livia Prüll

Ja, das stimmt...hier wäre ein anderer Thread sinnvoll, da der Ausgangspunkt hier gesellschaftspolitische Diskussionen sind. ich habe auf Ihren neuen Kommentar aber ausführlicher geantwortet und stehe für persönliche Beratung auch zur Verfügung.

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